eovie

Sarah Hauber: eovie, Culture Jamming Projekt, Plakate, Flyer, Instagram-Account, ab 2018

eovie ist nicht einfach nur ein Produkt – es ist ein Lifestyle, fast schon ein Kult.

Im Stil des Kommunikationsguerilla bzw. Culture Jamming wird ein fiktives Produkt beworben. Eovie erlaubt dem/der UserIn aktiv in Körperfunktionen des autonomen Nervensystems einzugreifen und etwa Hormon-ausschüttung oder Müdigkeitsgefühl zu kontrollieren – es garantiert somit maximale Produktivität. Eovies Axon-BoosterTM ermöglicht den Usern zudem ihre Gedanken rein zu halten, womit unnötige Gedankenströme der Vergangenheit angehören.

eovie UserInnen sind Teileiner neuen Generation von Menschen – sie leben absolute Perfektion. Die für eovie Werbematerial verwendeten Sprüche/Texte sind zum Großteil aus den Produktbeschreibungen realer Kickstarter-Kampagnen entnommen. Die Ästhetik ist inspiriert
einerseits von gennanten Kickstarter-Kampagnen, anderseits von zeitgenössischen Clubculture und Post Internet Ästhetiken – um so eovie als Produkt für eine hippe, junge Generation zu etablieren.

eovie provoziert und regt den/die BetrachterIn an über gesellschaftliche Zwänge zur Perfektion und Produktiviät zu reflektieren. Andererseits thematisiert es auch das Streben nach dem „reinem“ und „entwickeltem“ Menschensein das es zu erreichen gilt – für wen ist das (nicht) möglich?

mundhygiene

Katarina Michelitsch: Mundhygiene, 2018

/ Inkjetprint: 84,1 cm x 118,9 cm, 2018.

„Ich setze voraus, daß in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen.“ (Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses)

PooTrop!

Clara Bösl, Daniel Farado: 

Das Defäkieren wurde im laufe der Geschichte immer mehr aus dem öffentlichen Raum entfernt. Inzwischen hat es sich hin zum unsichtbaren entwickelt. Man erzählt es nicht, man zeigt es nicht, man macht es alleine.

Menschen geben heute bedenkenlos alle möglichen Daten, Interessen, Überzeugungen, Lebensumstände oder Ernährungsgewohnheiten bekannt. Ist das Klo, das Defäkieren und Urinieren, die letzte gut behütete Bastion des Privaten?

Wir rufen dazu auf diese zu stürmen. Der vorherrschende Privatismus hat uns in einsamen Solidarismus gedrängt. Außerdem fehlt Zeit für Freunde und Familie, zusammen zu essen und sich austauschen. Mit dem praktischen PooTrop kann sich das alles ändern. Zusammen Scheißen macht Freude und verbindet. Und nicht nur das, wenn es mal eilt, gleich loslegen! – ohne die nervige Toilettensuche. Nie wieder dreckige öffentliche Toiletten benützen! Zeit sparren: Nicht den Zug verpassen wegen Toilettenaufenthalt, sondern direkt am Bahngleis ungezwungen sein Geschäft verrichten. Nütze deine Zeit im Jetzt: Fäkalien Freunde Freude! Kot Kuss Kammerastschaft!

Get social – get PooTrop !

vertreiben & verdrängen

+++ LANGTEXT +++

Freitag thematisieren wir die Vertreibung und Verdrängung von Bettler*innen und anderen marginalisierten Menschen aus dem öffentlichen Raum. Die Öffentlichkeit verhält sich eigentümlich zurückhaltend, wenn Menschen alleine wegen ihrem Erscheinungsbild oder der vermeintlichen Zugehörigkeit zu irgendeiner imaginierten Gruppe angehalten, kontrolliert, beschimpft, schikaniert, beleidigt, entrechtet, verdrängt und vertrieben werden.

Anders gesagt: gerade über die Beseitigung von sichtbaren Hinweisen auf die widersprüchlichen, ambivalenten – um nicht zu sagen ungerechten – Grundbedingungen einer kapitalistischen Ökonomie, gerade über die gewaltvolle Beseitigung von unliebsamen, störenden oder widerständigen Menschen, Momenten oder Haufen aus dem Verkehr wird diese regulierte Öffentlichkeit im Namen einer vorgeblich allgemeinen Zugänglichkeit, Sicherheit, Sauberkeit und Wohlgefühltheit hergestellt. Regierungen und Herrschaften inszenieren Sicherheit, propagieren eindimensionale Sauberkeit, schaffen Ordnung, wollen geliebt sein. Während die Gesetze des Marktes, die absurde Anhäufung von Eigentum in den Händen von wenigen und die damit einher gehenden lokalen wie globalen Verwerfungen als politferne Naturgesetze beschrieben werden, denen „die Politik“ hilflos ausgeliefert ist füllt die Ausgrenzungspolitik und Vertreibungspolitik gleich in doppelter Hinsicht dieses Polit-Vakuum: Einmal können sich Regierungen und regierungsnahe Körperschaften als handlungsfähige und sogar als kreative Akteure im politischen Feld inszenieren – gleichzeitig bedient das praktische Einprügeln auf Schwache (im Sinne von: Menschen, die umfassend nicht an/gehört werden und denen gesellschaftlich keine Stimme gegeben  zugesprochen wird) das Bedürfnis vieler braver Leute nach einfachen personifizieten Gründen (Sündenböcke) für eigene alltägliche Erfahrungen von Enttäuschung, von Frustration, von Angst, von Hass oder auch Ekel – alles emotionale Zustände, die im bunten Geflecht (semi)autoritärer Strukturen in Arbeit, zu Hause oder dazwischen im Verkehr nicht unbedingt kritisch reflektiert oder bearbeitet werden.

Wir sind die Braven, wir wollen alles richtig machen, wir wollen geliebt und gemocht werden.  Wir machen alles um geliebt und gemocht zu werden. Wir sind die Guten. Wer das in Frage stellt.

Neues Volksblatt // 14. Juni 2018

Seit mindestens 300 Jahren erlassen Kaiser, Regierungen, Despoten und Herrscher im Namen der „guten Policey“, im Namen „der Öffentlichkeit“, im Namen von Ordnung, Sicherheit und Saubereit Gesetzestexte, mit denen andere, unangepaßte, nicht-seßhafte, autonome oder widerständige Menschen zuerst als „unproduktiv“, „gefährlich“, „bedenklich“, „zweifelhaft“ oder „kriminell“ gemacht wurden, um dann aus dem Verkehr gezogen, in Anstalten gesteckt oder vom Land und aus dem Lande vertrieben zu werden.

Seit etwa einem Jahrzehnt dominiert eine aufgebrachte Stimmung gegen sozial benachteiligte Menschen, die im öffentlichen Raum nach Geld fragen die ver/öffentlichte Debatte. Bettelverbote werden lanciert, zusätzliche Ordnungsbefugte auf Patrouille geschickt, Städte werden teil-privatisiert, in Zonen unterteilt und mittels Hausordnungen oder zur Hilfe nahme der Straßenverkehrsordnung reguliert. Die Interessen der unternehmerischen Stadt sind klar definiert. Bettler*innen und andere störende Subjekt würden das Bild einer prosperierenden, funktionierenden Stadt nur beschmutzen. Wie bereits vor 200 oder 300 Jahren beherrscht die Unterscheidung in wirklich Bedürftige und vorgetäuschte Bedürftigkeit, in inländische und ausländische Bettler_innen, in schwache und starke Bettler_innen, in moralisch gute und moralisch verwerfliche Bettler_innen, in dankbare und undankbare Bettler_innen die Rechtfertigungsdebatte.

Neues Volksblatt // 14. Juni 2018

In Wien, in Linz, in Salzburg, in Graz und Innsbruck sind in den letzten Jahren unterschiedlichste Strategien, Gesetze und Maßnahmen gegen Bettelei erdacht und umgesetzt worden.  So manche Gesetzestexte haben dabei gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen und mußten wieder aufgehoben und umgeändert werden, die Praxis der Ordnunghüter_innen ist aber längst so flexibel geworden, daß auf  solche Kleinigkeiten wie Menschenrechte kaum noch Rücksicht genommen wird. Willkürliche Vertreibungen, Anhaltungen und Schikanierungen  von Menschen aufgrund von Hautfarbe und reiner Äußerlichkeiten passieren – nicht selten an Verkehrsknotenpunkten – tagtäglich. Eine Gewöhnung an solche Methoden geht einher mit einer Gewöhnung an massive Polizeipräsenz, an Massenüberwachung oder an einen Daueralarmzustand.

Allerdings gibt es von Seiten der betroffenen Personen und von Leuten, die damit nicht einverstanden zeigen konstanten Widerstand gegen diese Ordnungsvorstellungen.  Sie verschieben und unterwandern die gleichermaßen engen wie fluiden Ordungsgrenzen.

In der Diskussion wollen wir uns mit der Vertreibungspolitik, den lokalen Gegebenheiten in Linz, aber auch mit widerständigen Strategien und solidarischen Konzepten im Kontext von öffentlichen demokratischen Räumen auseinander setzen. Wir diskutieren mit der Filmemacherin und Aktivistin Ulli Gladik, mit dem Aktivisten und Schriftsteller Kurto Wendt und mit Michaela Haunold, Mitglied der Bettellobby und von der Caritas Linz über lokale Eigenheiten, die politische Arbeit vor Ort und über Strategien und mögliche Formen des Widerstands gegen mittelständische Verrohungstendenzen und autoritäre undemokratische Politik.