≈ WHO KEHRS?

Abendveranstaltung von maiz zusammen mit Adriana Torres Topaga und Frauen von PreQual

Steht der überbordende Lebensstil in Ländern wie Österreich im direkten Verhältnis zur Zerstörung von Weltregionen, zu (Frauen)Migration, zu grassierendem Rassismus oder zur Prekarisierung der Care-Industrie? Wie begegnen wir der kapitalistischen Objektifizierung von Menschen? Gibt es eine Widerstandsperspektive und welche Rolle spielen dabei Künstler*innen?

Dort wo am meisten Reklame für Sauberkeit gemacht wird, dort existieren in der Regel die beschissensten Arbeitsverhältnisse für genau die Arbeiter*innen, die diese Sauberkeit herstellen; in einer ähnlich verqueren Logik ist die gesamte gesellschaftliche Sorgearbeit und reproduktive Arbeit an sich organisiert.

Stimmt hier die Aussage, wonach es dort am Hellsten sei, wo insgeheim die Fäkalien herrschen? (T. W. Adorno)  Oder um es mit in den Worten von Dominique Laporte zu sagen: „Denial only makes the proof more positive. Shit is there!“

Auf jeden Fall ist es augenscheinlich, mit welch peinlicher Intensität saubere Selbstbilder hergestellt werden:  Bilder, die von allen gesellschaftlichen Widersprüchen bereinigt sein sollen. Bilder, aus denen die gesellschaftlichen Konflikte und die strukturelle Gewalt verschwinden sollen.

Das offizielle Österreich präsentiert sich gerne als kleine, aber umso umweltbewusstere und saubere Nation, als Insel der Seeligen. Zwischen diesem Image und der Realität besteht eine Diskrepanz. Das dominante nationalistische Selbstbild verschleiert im großen wie im kleinen Stil. Die Involvierung österreichischer Firmen in problematische Großbauprojekte, in Prozesse des Landraubs oder in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse ist höchstens einmal als Randnotiz präsent. Das gleiche gilt für den Export von Abfällen, von alten Autos oder von Giftmüll. Das Gesamtbild ist davon nicht beeinflusst. Ganz im Gegenteil: das Land exportiert und verdient an „grüner Technologie“, an „Umwelttechnik“, an „Nachhaltigkeitskonzepten“. Gleichzeitig existiert anscheinend ein nicht hinterfragbares Dogma des endlosen Wachstums von Kapital, von Märkten und von Konsum. Dominante Diskurse, Gesetze und staatliche bis private Initiativen befördern sowohl den motorisierten Verkehr, wie eine industrielle Lebensmittelproduktion oder den Bau von gigantischen Infrastrukturprojekten –  das steht alles auf der tagespolitischen Agenda. Die Kehrseite der schillernden Großprojekte sind untragbare Arbeitsverhältnisse, gerade im Bereich Sorgearbeit oder in Bereichen von Reproduktions- und Reinigungsarbeit!

// maiz beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Bilderpolitik, mit der Dekonstruktion von zugeschriebenen Migrant*innenbildern, mit der Selbstdarstellung von invisibilisierten Menschen in der Migrationsgesellschaft, mit Sichtbarmachung von Care-Dienstleiter_innen in einem globalen und transnationalen Kontext, mit der (experimentellen) Produktion von Gegen-Narrativen und künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum.

Die Zusammenarbeit mit der (migrantischen) Künstlerin Adriana Torres Topaga für diese Veranstaltung steht in Verbindung mit dem Kulturjahresprogramm von maiz für 2018 zum Thema Allianzenbildung: „Das Gemeinsame und das Trennende, die Unmöglichkeit von Gleichheit und Möglichkeit von Differenzen“. Dabei soll im Kontext des aktuellen Rechtsrucks Raum für politische, epistemologische und ästhetische Fragen der Repräsentation in der Kunst- und Kulturszene geschaffen werden.

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Adriana Torres Topaga: Künstlerin und Aktivistin, lebt in Linz und arbeitet seit vielen Jahren mit maiz zusammen.

vgl.: website / projekt: una casa es una casa / ein haus ist ein haus

Das Sujet „Haus“ und „zuhause-sein“ begleitet die Künstlerin schon seit einiger Zeit, in der eine Serie von bildnerischen und performativen Arbeiten dazu entstanden sind. So etwa die Performance „WHO CARES(!?)“ aus der Ausstellung „fundamental“, die den Körper der Frau, ihre Handlungen, sowie Hausarbeit thematisiert und erforscht. 

maiz ist eine Selbstorganisation von und für Migrantinnen*, die seit 1994 existiert und feministische und rassismuskritische Aktivitäten setzt. Neben der politischen kritischen Kulturarbeit gibt es eine Beratungsstelle sowie Bildungsangebote für migrantische Frauen*, aufsuchende Arbeit in der oberösterreichischen Sexbranche, Projekte mit Jugendlichen und wissenschaftliche Forschungsprojekte u.a. zum Thema Hausarbeit.

PreQual ist einProjekt von maiz zu Vorqualifizierung für Migrantinnen im Gesundheitsbereich und soll den Zugang von Migrantinnen zu Gesundheits- und Pflegeberufen und deren Ausbildungen erleichtern.